Wenn die Sonne heiß wie in den letzten Wochen auf den Walter-Benjamin-Platz fällt und dessen hellgrauen Stein gleißend erstrahlen lässt, verwandelt er sich in einen der spannendsten Orte Berlins. Dann erobern sich vor allem in den Abendstunden Kinder die karge Leere. Sie flitzen mit ihrem Tretgerät über die weite Fläche oder tollen, das Verbotsschild ignorierend, im Brunnen herum. Ab und zu breitet eine Gruppe Jugendlicher gar ein Handtuch auf dem Steinboden aus und sonnt sich hier der Härte zum Trotz, als handelte es sich um eine grüne Idylle. Ein bisschen lässt einen diese Aktivität die enigmatische Monumentalität der angrenzenden Kolonnadenbauten vergessen und erinnert daran, dass hier zu Benjamins Zeit eingepfercht zwischen den hohen Brandwänden auf 14 Rasenplätzen Tennis gespielt wurde. Auch liegt ein transgressives Moment im Spiel der Kinder, denn es weist uns darauf hin, dass sie sich nicht länger auf die Spielplätze zurückdrängen lassen, dass sie hier den Aufstand proben.
Trotz dieses rebellischen Treibens taucht der 2001 fertiggestellte Platz von Hans Kollhoff in der jüngsten Ausgabe der Arch+ als ein Beispiel für die titelgebenden „Rechten Räume“ auf. In ihrem Beitrag führt Verena Hartbaum mit sympathischer Boshaftigkeit vor, wie leicht sich Kollhoffs klassische Formensprache in die architektonische Tradition des italienischen Faschismus stellen lässt. Dazu arbeitet sie eine Nähe der Anlage zu den Turiner Kolonnadenbauten Marcello Piacentinis heraus, die in ähnlich spiegelsymmetrischer Anordnung seit den späten Dreißigerjahren die Via Roma einfassen. In ihrer Lesart wird Hartbaum durch ein Zitat Ezra Pounds bestärkt, das Kollhoff als vermeintlich antikapitalistisches Bekenntnis auf einer Bodenplatte des Platzes eingravieren ließ: „Bei Usura hat keiner ein Haus von gutem Werkstein | die Quadern wohlbehauen, fugenrecht, | dass die Stirnfläche sich zum Muster gliedert.“ Tatsächlich findet Hartbaum in den Versen dieselbe antisemitische Rhetorik, mit der Pound in seiner Propaganda für das „gleichgeschaltete Radio Rom […] ,die Juden‘ für die Herrschaft der ‚Usura‘, Italienisch für Wucher, verantwortlich machte.“
Daraufhin fand sich auch in anderen Medien die Forderung, dass man es nicht beim Status Quo belassen könne. So schlägt etwa Niklas Maak in der FAZ vor, „dem Pound-Zitat eine erklärende Beischrift und endlich auch ein Zitat von Walter Benjamin zur Seite zu stellen“. Um nachzusehen, ob sich jemand für die Debatte interessieren würde, bin ich in den letzten Wochen immer wieder zum Benjamin-Platz gekommen. Doch nirgends zeigte sich ein forschender Blick, der die monumentalen Kolonnaden mit ihrem mutmaßlichen Vorbild abglich. Auch stand niemand grübelnd über dem Pound-Zitat, um dessen Antisemitismus nachzuspüren. Die Diskussion ebbte so schnell ab, wie sie aufgekommen war. Die Zeitungen überließen die Architektur wieder sich selbst. Zuletzt zitierte Die Zeit eine von Durs Grünbein angeführte Allianz lokaler Schriftsteller*innen auf den Platz, um den Gebäuden einen Persilschein auszustellen. Damit ist die letzte Verteidigungslinie gezogen: Wer den Platz vor einer Infiltration durch rechte Programme schützen will, muss die Architektur semantisch soweit besetzen, dass sie sich identitären Ideologien eigenmächtig erwehren kann.
Dazu gilt es, die Kolonnadenbauten wieder in jene polysemischen Bausteine zu zerlegen, aus denen Hartbaum ihre Interpretation zusammengesetzt hat. Im Zuge dieses Rückbaus fällt auf, dass die tektonische Überdetermination von Kollhoffs Gebäuden im Berliner Kontext eher an Schinkel denn an Piacentini erinnert, denn dessen Obergeschosse in der Via Roma weisen eine stark reduzierte Lochfassade auf. Ferner ist zu bemerken, dass Piacentinis Architektur einen Fluchtpunkt fokussiert, auf den sie als straßenseitige Bebauung auch funktional abzielt. Dazu wurde die Höhenwirkung der Gebäude durch zwei stufenartig zurückspringende Staffelgeschosse beschränkt. Kollhoffs Bauten stehen sich dagegen aufrecht mit deutlich größerem Abstand gegenüber, wodurch sie sich dem Platz stellen, anstatt in die Ferne zu verweisen. Weiterhin unterscheiden sich die Gebäude durch die Anordnung der Säulen. Während sie bei Kollhoff in Übereinstimmung mit der Ordnung der Fassade in gleichmäßigen Abständen gestellt sind, gruppiert Piacentini sie in Anlehnung an die Doppelsäulen seiner historischen Nachbarn paarweise.
In diesem Bezug zum Kontext zeigt sich dann auch der wesentliche Unterschied beider Gebäude. Bereits die serielle Anordnung der Bauten an der Via Roma in vier annähernd identischen Paaren verdeutlicht Piacentinis Absicht, sein Werk der urbanen Logik Turins zu unterwerfen. Dazu orientiert er sich am Turiner Stadthaus, das im Untergeschoss meist über hohe Arkaden verfügt und übersetzt dessen Struktur in die architektonische Sprache des Faschismus. Indem er die Arkaden in seinen Gebäuden fortführt, ordnet er den Faschismus nicht nur in die italienische (Bau-)Geschichte ein, sondern erhebt ihn an der Via Roma, diesem prominenten Ort der Stadt, zu deren Apotheose. Kollhoff geht hingegen einen ganz anderen Weg, wenn er in einem Interview mit der Netzeitung aus dem Jahr 2006 ebenfalls einen Bezug zur Stadt Turin herstellt. In diesem antwortet er dem Journalisten, der die Melancholie und Leere seines Platzes bewundert:
[D]as gefällt mir über die Maßen. Wenn Sie durch Rom gehen im Herbst, oder Venedig, oder irgendeine italienische oder französische Kleinstadt, das lässt einen ja nicht los. Die Faszination Nietzsches von Turin kann ich allzu gut nachvollziehen. De Chirico. Das ist italienisch, aber es ist auch eminent europäisch. Ich genieße diese Melancholie sehr. Ich darf nur nicht zu laut darüber reden, weil mir das vom Bauherrn als Provokation ausgelegt wird. Bauherren wollen verständlicherweise, dass der Platz immer voll ist. Die denken in Kategorien des Shopping-Centers, nicht in Kategorien von Stadt.
Kollhoffs Verweis auf Turin ist nicht in erster Linie ein architektonischer, sondern ein atmosphärischer. In seiner Architektur schreibt sich keine nationale Tradition fort. Vielmehr geht es ihm darum, mittels einer raumgreifenden Installation eine Stimmung in die Berliner Innenstadt einzuspeisen. Folglich wirkt Kollhoffs Architektur in genauer Umkehrung zu Piacentinis dann am stärksten, wenn sie nicht in der Stadt aufgeht, sondern als Fremdkörper erfahrbar bleibt. Diesen Bruch mit dem Kontext braucht es, damit der Platz als abgetrennter Erlebnisraum seine Stimmung in maximaler Intensität an die Passant*innen abgeben kann. So klärt sich auch seine eigenwillige Einbindung ins Straßengeflecht. Anders als es die meisten Plätze leisten, stellt der Benjamin-Platz keinen urbanen Knotenpunkt dar. Überhaupt erschöpft er sich gerade nicht in einem infrastrukturellen Nutzen. Denn die Leibnitz- und Wielandstraße, zwischen denen er eine Passage durch den Block schlägt, sind nicht einmal 100 m südlich auch durch den Ku’damm verbunden. Stattdessen verfolgt die Anlage einzig das Ziel, einen homogenen Raumeindruck auszubilden und ihn gegen den Außenraum abzuschirmen. Dadurch stellt sie symbolisch jenen Zusammenhang infrage, den sie als Verbindungsachse zwischen den Straßen herzustellen vorgibt.
Der Platz entspricht einem Transitraum, aus dem kein Weg mehr herauszuführen scheint. Wie um dies zu markieren, sind beide Ausgänge versperrt: der eine durch einen Baum, der andere durch einen Brunnen. In dieser strukturellen Abgeschiedenheit kündigt sich jenes subversive Potential an, das Kollhoff vor seinem Bauherrn geheim halten zu müssen glaubt. Denn je tiefer man den Referenzen, an die er den Raumeindruck bindet, nachfolgt, desto unnachgiebiger wirkt der Bruch, der zwischen der Anlage und ihrem Kontext aufklafft. Fast scheint es so, als laufe man hier Gefahr, aus dem ‚gesunden‘ Zusammenhang der Welt zu stürzen.
Dies jedenfalls legt Kollhoff nah, wenn er den Raumeindruck seines Platzes an Nietzsches Faszination von Turin knüpft. Nietzsche erreichte die Stadt im Frühjahr 1888 als letzte Station auf einer jahrelangen Suche nach einem ihm angenehmen Aufenthaltsort. Ein dreiviertel Jahr später verfiel er in ebendieser Stadt dem Wahnsinn.Vor diesem Hintergrund vermitteln seine Turiner Briefe den Eindruck, als könne man dem beinahe vollends vereinsamten Philosophen dabei zusehen, wie er der Welt zunehmend abhandenkommt. Gleichzeitig erreichten ihn aus der Ferne erste Anzeichen dafür, dass seine Texte auf Anerkennung stießen. Die Kombination aus Einsamkeit und Euphorie lassen Turin als Ort der Freiheit erstrahlen. Einem Bewunderer aus Kopenhagen schreibt er diesbezüglich:
Die Geschichte meiner Frühlinge, seit fünfzehn Jahren zum mindesten, war nämlich eine Schauergeschichte, eine Fatalität von décadence und Schwäche. Die Orte machten darin keinen Unterschied; es war als ob kein Rezept, keine Diät, kein Klima den wesentlich depressiven Charakter dieser Zeit verändern könnte. Aber siehe da! Turin! Und die ersten guten Nachrichten, Ihre Nachrichten, verehrter Herr, aus denen mir bewiesen ward, daß ich lebe… Ich pflege nämlich mitunter zu vergessen, daß ich lebe. Ein Zufall, eine Frage erinnerte mich dieser Tage daran, daß in mir ein Hauptbegriff des Lebens geradezu ausgelöscht ist, der Begriff ‚Zukunft‘. Kein Wunsch, kein Wölkchen Wunsch vor mir! Eine glatte Fläche! (Brief an Georg Brandes vom 23. Mai 1888)
Mit dem Benjamin-Platz vor Augen fällt es schwer, Nietzsches schwärmerische Hymnen, welche die ernsten und feierlichen Plätze, großräumigen Arkaden, die „aristokratische Ruhe“ und „Einheit des Geschmacks“ loben, nicht auch auf die Architektur Kollhoffs zu beziehen. (Brief an Peter Gast vom 7.4.1888) Vor allem da die durchgehend graue Farbe hier ebenfalls „alles eins“ (Brief an Carl Fuchs vom 14.4.1888) werden lässt. Doch verblassen diese offensichtlichen Bezüge in Anbetracht der glatten Fläche, jenem Sinnbild einer leergeräumten Zukunft, die sich auf eigentümliche Weise mit der Leere des rechteckigen Platzes verbindet. Nicht nur zeigt dieses Bild auf, dass der Eindruck jener scharf umrissenen Fläche viel schwerer wiegt, als die konkreten Formen der Architektur, die sie begrenzen. Vielmehr verdeutlicht es außerdem, dass der Zusammenhang, an welchem der Benjamin-Platz nagt, kein geringerer ist, als jene ‚gesunde‘ Ordnung des Verstandes und der Zeit.
Dieser Eindruck konkretisiert sich, wenn man de Chiricos metaphysische Gemälde (z.B. Piazza d’Italia) konsultiert, jene zweite Referenz Kollhoffs für den Raumeindruck seiner Architektur. Auf ihnen versammelt der Turiner Künstler ab 1912 Menschen und Statuen zusammenhangslos vor reduzierten Arkadenbauten. Allesamt stehen sie reglos vor der historischen Kulisse, als wären sie an ihre langen Schlagschatten gebunden. Dadurch scheint der Unterschied zwischen der belebten und der gegenständlichen Welt getilgt. Wie Nietzsche haben auch die erstarrten Figuren de Chiricos keine Zukunft. Wie er existieren sie jenseits der Zeit. Selbst das Mädchen, welches in Mistero e melanconia di una strada mit einem Reifen über den Platz rennt, hat die Sonne im Lauf erstarren lassen. Ihr Schattenwurf liegt nur deshalb jenseits des Bildraums, weil sie selbst nicht mehr als ihr lebloser Umriss ist. Das Bild zeigt kein laufendes Mädchen, sondern ist lediglich Abbild eines Abbilds, dem es als solchem an psychologischer Motivation fehlt. In der Substitution der Intentionalität durch die Vereinzelung der Figuren und ihre Zerstreuung auf der Leinwand stoßen die Gemälde de Chiricos auf ein Verfahren, um den Wahnsinn zum allgemeinen Zustand der Welt zu erheben. So wird aus der subjektiven Verrücktheit, der Verrückung aus dem vermeintlich objektiv gegebenen Zusammenhang der Welt, eine wahnsinnige Welt, der die Ordnung in Gänze entschwunden ist. Was bleibt, ist ein metaphysisches Rätsel, das die Dinge nach der Möglichkeit einer neuen, einer höheren Ordnung befragt.
Es ist verblüffend, wie unmittelbar sich die visuellen Phänomene de Chiricos an heißen Tagen auch auf dem Walter-Benjamin-Platz herstellen. Dann schneidet das Licht die strahlende Steinfläche im selben Maße aus dem städtischen Kontext, wie es den Menschen und Gegenständen auf ihr den Boden unter den Füßen entreißt. Selbst wo Familien gemeinsam Ball spielen, wird ihre Gemeinschaft aufgebrochen und zersprengt. Durch das Licht vervollständigt sich jener Bruch mit dem urbanen Kontext, der bereits unter architektonischen und atmosphärischen Gesichtspunkten betrachtet wurde. Nur strahlt er spätestens jetzt auch auf die Körper ab, die sich auf dem Platz befinden. Denn wer unter diesen Bedingungen die glatte Fläche betritt, wird als Bild selbst dem Zusammenhang der Welt entrissen und in die radikale Vereinzelung katapultiert. Was bleibt, ist ein blinder Fleck auf der nach Durchsicht lechzenden Netzhaut der Stadt.
Als wir dies erkennen, sind wir einen Moment lang in einen irren Taumel versetzt. Wir mäandern über den Platz … geblendet vom Licht … das Pferd suchend … dem wir die Arme um den Hals legen können … dann ein Innehalten und die Einsicht, dass ein Riss unsere Gegenwart durchfahren hat. Wenn wir zurückblicken, sehen wir dort jenseits des Platzes gerahmt durch Kollhoffs langgestreckte Riegel unsere Vergangenheit wie die Projektion einer fernen Welt auf einer Leinwand. Wenden wir uns daraufhin wieder unserer ursprünglichen Laufrichtung zu, sehen wir dort den Ausgang des Platzes, unser Ziel. Doch hat es unter der Hitze zu flimmern begonnen. Wie eine Fata Morgana löst es sich vor unseren Augen auf. Wir wären Narren, würden wir ihm jetzt noch nachfolgen. Was sich uns in diesem Augenblick vergegenwärtigt, ist unserer je eigener Wahnsinn, das Kehrbild unseres täglichen Funktionierens. Es erfasst uns rauschhaft, nimmt unsere Zukunft in Beschlag und zerreißt den Funktionszusammenhang, in den wir eingespannt zu sein glauben.
In Momenten wie diesem offenbart sich der Benjamin-Platz als Ort profaner Erleuchtung. Darunter fasst Walter Benjamin in seinem Essay über den Surrealismus einen inspirierenden Rausch, der in den alltäglichen Zusammenhängen der materiellen Welt Spuren eines unerschlossenen Geheimnisses aufblitzen lässt. Dieses zeige sich gleichermaßen im ekstatischen Begehren des Minnesangs, der eine geheime Verbindung jenseits des sinnlichen Genusses offenlege wie auch in der revolutionären Energie veralteter, d.h. nutzlos gewordener Dinge, die der Surrealismus ergründet: „Wie das Elend, nicht nur das soziale sondern genauso das architektonische, das Elend der Interieurs, die versklavten und versklavenden Dinge in revolutionären Nihilismus umschlagen, das hat vor [den Surrealisten] noch niemand gewahrt.“ Der Benjamin-Platz geht noch einen Schritt weiter. Hier zersetzt die materielle Welt nicht nur ihren eigenen Funktionszusammenhang. Vielmehr sprengt Kollhoffs Architektur wie eine surrealistische Maschine uns selbst aus unserer Versklavung durch den Alltag heraus und stellt uns einen Augenblick lang als unerschlossenes Geheimnis vor. Insofern bewahrheitet sich an diesem Ort jene Passage des Surrealismus-Essays, der die Stadt als das größte surrealistische Erzeugnis identifiziert:
Und kein Gesicht ist in dem Grade sürrealistisch wie das wahre Gesicht der Stadt. Kein Bild von Chirico oder Max Ernst kann mit den scharfen Aufrissen ihrer inneren Forts sich messen, die erst erobert und besetzt sein müssen, um ihr Geschick und in ihrem Geschick, im Geschick ihrer Massen, das eigene zu meistern.
Unlängst formierte sich eine weitere Protestbewegung gegen die Architektur des Benjamin-Platzes. Ihre Argumente hinken denen der Arch+ weit hinterher. Trotzdem erwies sich die Bewegung als weitaus folgenreicher, denn sie ließ auch Taten für sich sprechen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion spannte sie Drahtseile zwischen den Kolonnadenbauten, von denen farbige Regenschirme baumeln. Darunter, im Zentrum des Platzes, stapelten die Angreifer*innen eine Vielzahl bunter Balkenkonstruktionen, die zusammen eine Art Labyrinth formieren. Es fällt nicht schwer, diese Aktion als gefährlichen Sabotageakt zu erkennen, der darauf abzielt, das Räderwerk der surrealistischen Maschine zu blockieren. Denn sie verdrängt das produktive Nichts durch effekthascherische Nichtigkeiten. Dadurch gibt sich das Bündnis als Zusammenschluss all jener zu erkennen, die ihren Alltag nicht durch eine Architektur infrage gestellt sehen wollen und die den Zweifel scheuen. In Anbetracht dieser Aktion stellt sich die Frage, ob es wirklich rechte Kräfte sind, von denen gegenwärtig die größte Gefahr für den Platz ausgeht, wo es doch ausgerechnet Vertreter*innen des bürgerlichen Lagers sind, die seinen subversiven Effekten zusetzen.
Allein, ob sie damit erfolgt haben, ist zweifelhaft. Während wir den Holzhaufen umkreisen, blitz er unserem Wahnsinn als brennende Barrikade auf, als Ausgangspunkt eines kommenden Feuers. Darin zeigt sich einmal mehr, dass wir die Dinge in ihrer Semantik nur selten richtig erfassen, wenn wir sie auf ihre überlieferte Bedeutung reduzieren. Benjamin hat diesen Ansatz in seinen Thesen Über den Begriff der Geschichte als historistisch abgewiesen. Deswegen empfiehlt es sich, die Bedeutung eines Platzes, der ausgerechnet seinen Namen trägt, nicht aus der vermeintlich fixierten Historie ihrer Formen abzuleiten. Dies vermag ohnehin nur, wer sich den Luxus der distanzierten Betrachtung leistet. Für den Rest von uns, die wir uns auf die Gegenwart eingelassen haben, eröffnet der Walter-Benjamin-Platz den Weg in neue Zukünfte.